„Abspeckkur“ für Kommunalfahrzeuge

Ressourceneffiziente Sammelbehälter für E-Müllautos: Marcus Hartenstein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur SLK der TU Chemnitz, prüft die Dicke eines Organoblechs. Das Element für den innovativen Abfallbehälter wurde im MERGE-Zentrum gefertigt.
Marcus Hartenstein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur SLK der TU Chemnitz, prüft die Dicke eines Organoblechs. Das Element für den innovativen Abfallbehälter wurde im MERGE-Zentrum gefertigt. (Foto: TU Chemnitz/Jacob Müller)
08.02.2021 | Redaktion Autoland

Forschende der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung der TU Chemnitz entwickeln ressourceneffiziente Sammelbehälter für E-Müllautos.

Vorteile von Elektromotoren, wie die erhöhte Umweltfreundlichkeit, geringere Betriebskosten und verminderte Lärmbelastung, wollen sich nun auch Kommunen zunutze machen, indem sie bei ihren Nutzfahrzeugen auf die moderne Antriebstechnik umrüsten. Unterstützt werden sie dabei von Wissenschaftlern der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung (SLK) an der TU Chemnitz, die derzeit an den letzten Entwicklungsschritten eines neuartigen, ultraleichten Sammelbehälters für elektrische Abfallfahrzeuge feilen. „Vor allem im Kurzstreckenbetrieb, wenn häufig angehalten und wieder beschleunigt werden muss, sind E-Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen effizienter als herkömmliche Verbrenner“, erläutert Marcus Hartenstein, Mitarbeiter an der Professur SLK.  Dies betreffe unter anderem die bei der Abfallentsorgung zum Einsatz kommenden Müllwagen.

Extrem leichte und stabile Behälter sollen Batteriegewicht kompensieren

Gerade bei Fahrzeugen, bei denen eine möglichst hohe Nutzlast zu den zentralen Anforderungen gehört, steht bisher den Vorteilen der E-Fahrzeuge allerdings ein großer Nachteil gegenüber: Das Batteriegewicht von 200 bis 300 Kilogramm führt dazu, dass die Ladung, die transportiert werden kann, nicht ausreichend ist. Um diesen Nutzlastverlust zu kompensieren, haben sich die Wissenschaftler der TU Chemnitz im Verbundprojekt UTILITAS („Ultraleichte Aufbaustrukturen für Nutzfahrzeuge im kommunalen Servicebetrieb“) mit fünf weiteren Forschungs- und Industriepartnern zusammengetan, um ein Behältersystem zu entwickeln, das nicht nur extrem leicht, sondern auch wirtschaftlich und einfach in der Herstellung ist. Die Forscher der Professur SLK übernehmen dabei die Konzeption des Behälters. Dazu gehören dessen Aufbau und grobe Auslegung sowie die Dimensionierung und alle dafür notwendigen Berechnungen. Da die Behälterkonstruktion hohen Belastungen standhalten muss, ist die Professur außerdem für den experimentellen Nachweis der Leistungsfähigkeit zuständig. Zur Absicherung werden die Beanspruchungen auf dem Strukturprüfstand im MERGE-Zentrum der TU Chemnitz wiederholt simuliert.

Großer Bedarf für leichte Lösungen – Know-how-Transferangebote für Betriebe

Fragen der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit, zukünftiger Lebenswelten und der Auswirkungen des Klimawandels auf den Menschen stehen auf kommunaler Ebene zunehmend im Fokus. Deshalb nimmt die Nachfrage nach möglichen Technologien für die ganzheitliche Erschließung von Ressourceneinsparungs-Potenzialen deutlich zu. „Bereits bei den Sondierungsgesprächen zum Projekt wurden weitere Bedarfe im kommunalen Servicebetrieb deutlich, zum Beispiel bei der Bewirtschaftung von Grünflächen oder bei Fahrzeugen zum Laubblasen und Laubsaugen. Nicht zuletzt wird bei E-Fahrzeugen hier auch der Dieselgenerator eingespart“, berichtet Hartenstein. Aufgrund dieses steigenden Bedarfs ist ein zentraler Aspekt des Projekts, Know-how für Betriebe zu generieren und diese mit relevanten Daten für größere Freiheiten in der Materialwahl und Fügetechnologie zu unterstützen.

Leistungsfähige Organobleche bieten Vorteile

Um den Kommunen dabei zu helfen, ihr Klimaschutzziele mit lokalen Ressourcen zu erreichen, steht bei der Entwicklung des Abfallbehälters sowie der zugehörigen Fertigungstechnologie die Wirtschaftlichkeit im Fokus. Dabei setzen die Wissenschaftler auf ein modulares und somit anpassbares Behältersystem, das aus einer Rahmenstruktur und faserverstärkten Kunststoffplatten zusammengesetzt wird. Diese sogenannten Organobleche aus dem ebenfalls an der TU Chemnitz entwickelten ThermoPre-Material bieten aufgrund ihrer hohen Leistungsfähigkeit und einem bedarfsgerechten Lagenaufbau zahlreiche Vorteile. Gleichzeitig ist keine Umformung erforderlich, was eine einfache Konstruktion und Reparatur gewährleistet und die Investitionskosten, selbst bei geringer Stückzahl, niedrig hält. Um die Module zuverlässig miteinander zu verbinden, wurden verschiedene Fügestrategien getestet: Verschraubung, Verklebung und eine Mischbauweise, die wegen ihrer hohen Praxistauglichkeit als Finallösung gewählt wurde.

„Die ersten mit dem innovativen Behältersystem ausgestatten elektrischen Mülltransporter könnten schon bald im Einsatz sein“, sagt Hartenstein. Ein Demonstrator-Fahrzeug wurde bereits aufgebaut, die Simulation ist abgeschlossen. „Jetzt gilt es, letzte Konstruktionsaufgaben zu bewältigen und den Behälter in die Fertigung zu geben“, freut sich der Wissenschaftler. „Ein Prototyp für den kommunalen Versorgungsbetrieb soll schon im ersten Halbjahr 2021 im Praxisalltag erprobt werden. Anschließend wird, je nach Auftragslage, eine serielle Herstellung anvisiert.“

Starke Partner im Verbund

Neben der TU Chemnitz sind an dem Vorhaben das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS Dresden, die EBF Innovation GmbH, die PROFIL Verbindungstechnik GmbH & Co. KG, die Car systems Scheil GmbH & Co. KG sowie die Marko Pfaff & Co. Spezialfahrzeugbau GmbH beteiligt: Das IWS entwickelte für das Projekt eigens eine neue Fügetechnologie, die mithilfe der EBF und der PROFIL Verbindungstechnik umgesetzt wird. Car systems Scheil setzt die zur Kippung und Steuerung des Behältersystems notwendige Elektronik um, während der Marko Pfaff & Co. Spezialfahrzeugbau sich der Betrachtung aus Fertigungsperspektive widmet.

Das Projekt wird im Fachprogramm „Neue Fahrzeug- und Systemtechnologien“ als Teil der Programmsäule „Innovative Fahrzeuge“ vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert und vom Projektträger TÜV Rheinland betreut.

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