Automobiler Umbruch zwischen Fakten und Fiktion

Mehr als 300 Teilnehmer aus Europa, Asien und Amerika kamen am 23./24. Oktober 2018 zum 22. Internationalen Jahreskongress der Automobilindustrie in Zwickau zusammen.
Mehr als 300 Teilnehmer aus Europa, Asien und Amerika kamen am 23./24. Oktober 2018 zum 22. Internationalen Jahreskongress der Automobilindustrie in Zwickau zusammen. (Foto: Frank Reichel)
02.11.2018 | Redaktion Autoland

Der 22. Internationale Jahreskongress der Automobilindustrie am 23./24. Oktober 2018 thematisierte unter der neuen Marke Automotive Forum Zwickau die Zeitenwende in der Branche. Die mehr als 300 Teilnehmer aus Deutschland, Brasilien, China, Indonesien, Mexiko und den USA diskutierten zum Teil sehr polarisierend den generellen Mobilitätswandel weltweit sowie die besonderen deutschen Herausforderungen in diesem Prozess.

„Manchmal hat man das Gefühl, dass sich politische Vertreter nicht mit den Fakten vertraut machen und dadurch Entscheidungen treffen, die sich gegen die gesamte Branche richten“, brachte Dieter Pfortner, Präsident der IHK Chemnitz mit einem Vierteljahrhundert Erfahrung in der Automobilzulieferindustrie, die Gefühlslage zahlreicher Branchenvertreter auf den Punkt. Ja, die Autoindustrie habe Fehler gemacht, und etwas Demut bei der Aufarbeitung des Dieselskandals hätte manchen Vorständen gut getan, so Pfortner. Dennoch müsse Schluss sein mit der Polemik. Sachlichkeit und Zielorientierung, ein Zusammenspiel vernünftiger Art sei jetzt notwendig. „Wir lassen uns den Stolz auf die deutsche Autoindustrie nicht nehmen und erwarten Fairness von der Politik“, betonte der IHK-Präsident.

Mehr Realität in der Dieseldiskussion mahnte auch VDA-Geschäftsführer Klaus Bräunig an. „Eine Hardware-Nachrüstung ist kein einfaches Auspuff-Anklemmen. Für Pkw gibt es keine kurzfristige Lösung. Im Übrigen verstehen viele Partner im Ausland die Debatte in Deutschland nicht mehr.“ Die gesamte Branche stehe weltweit vor großen Herausforderungen. Der internationale Markt wird rauer, die Handelspolitik immer situativer. Von Trump bis Brexit, von Iran bis China gibt es so viele internationale Probleme wie noch nie in den letzten 20 Jahren. Der globale Automarkt wächst dennoch weiter. Die deutschen Hersteller werden 2018 mehr als doppelt so viele Fahrzeuge im Ausland als im Inland bauen. Sich angesichts der guten Konjunktur nicht zurückzulehnen und die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland zu erhalten, sieht der VDA als eine wesentliche Aufgabe und schafft hier speziell für Zulieferer als auch die neue Klientel der Startups zeitgemäße Plattformen zur Vernetzung, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern.

Als alternativlos stellte Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Centers Automotive Research der Universität Duisburg-Essen, die E-Mobilität dar. Den Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors von 40 auf 41 Prozent zu verbessern, lohne nicht.

Als alternativlos stellte Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Centers Automotive Research der Universität Duisburg-Essen, die E-Mobilität dar. Den Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors von 40 auf 41 Prozent zu verbessern, lohne nicht. (Foto: Frank Reichel)

An vorderster Stelle stehen dabei Umwelt- und Klimaziele. Als alternativlos stellte Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Centers Automotive Research der Universität Duisburg-Essen, die E-Mobilität dar. Der Diesel sei verbrannt und nicht mehr zu retten. Der Volkswirtschaftler setzt auf das Prinzip Tesla. Von den Plänen der Bundesregierung und der EU, eine öffentlich geförderte Batteriezellenfabrik zu bauen, hält er nichts. Das sind „verbrannte Millionen“, weil das Thema andere deutlich besser beherrschen. Deutschland solle sich auf die Materialien für die Zelle konzentrieren, so wie es BASF derzeit mit dem Aufbau einer Kathodenfertigung macht. In diesem Bereich könne man Wettbewerbsvorteile ausspielen. Eine Absage erteilte er dagegen der Brennstoffzelle. Diese werde nur bei Nutzfahrzeugen eine Rolle spielen. Generell müsse man sich in Deutschland viel schneller bewegen als bisher. „Wir verlieren Arbeitsplätze, wenn wir zuschauen, wie China die Welt verändert.“

Kein Entweder-Oder-Denken, sondern ein vernünftiger Antriebs- und Kraftstoffmix sei der Weg in die Mobilität der Zukunft. Für diese ganzheitliche Betrachtung des Themas plädierte Prof. Dr. Gennadi Zikoridse, Direktor des Forschungsinstituts Fahrzeugtechnik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. „In urbanen Zonen wird der Antrieb primär elektrisch sein, weil er zumindest lokal emissionsfrei fährt. Der Verbrennungsmotor wird voraussichtlich auch nach 2050 als Teil des Hybridantriebs bestehen bleiben“, prognostizierte der anerkannte Wissenschaftler für Verbrennungsmotoren und Abgasnachbehandlung. Das Technologie-Portfolio für nachhaltige Mobilität umfasse die weitere Optimierung von Benziner und Diesel, die auch in Zukunft die zuverlässigsten Träger für die Mobilität der Gesellschaft bleiben. Ebenso gehören Effizienzsteigerung durch Hybridisierung sowie emissionsfreies Fahren zum zukünftigen Mix. Die jeweils für die individuellen Mobilitätsbedürfnisse am besten geeigneten Antriebslösungen werden sich durchsetzen.

Für einen vernünftigen Mix bei Antrieben und Kraftstoffen warb Prof. Dr. Gennadi Zikoridse, Direktor des Forschungsinstituts Fahrzeugtechnik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Dazu gehöre, den Verbrenner weiter zu verbessern und nicht zu verbieten. Motoren der neuesten Generation tragen wesentlich zur Erfüllung von Emissionszielen bei.

Für einen vernünftigen Mix bei Antrieben und Kraftstoffen warb Prof. Dr. Gennadi Zikoridse, Direktor des Forschungsinstituts Fahrzeugtechnik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Dazu gehöre, den Verbrenner weiter zu verbessern und nicht zu verbieten. Motoren der neuesten Generation tragen wesentlich zur Erfüllung von Emissionszielen bei. (Foto: Frank Reichel)

Neben alternativen Antrieben und Kraftstoffen bestimmten neue datengetriebene Strukturen und Geschäftsmodelle, die vernetzte und autonome Zukunft der Mobilität sowie der Automobilmarkt China die Vorträge. Udo Wehner vom Engineering-Unternehmen IAV stellte einen autonomen Shuttle für zehn Personen als einen erweiterten Mobilitätsansatz für intelligente Transportsysteme im ÖPNV vor. Im Pressegespräch am Rande des Kongresses forderte er mehr Offenheit der Autoindustrie gegenüber anderen Kulturen und Branchen, ohne die eigene Identität zu verleugnen.

Den Gang des sächsischen Schaltmodulherstellers KOKI Technik Transmission Systems nach China zeigten Geschäftsführer Daniel Sonntag sowie Dr. Michael Bormann von der Beratungskanzlei bdp Bormann, Demant & Partners auf. Als Mittelständler solle man diesen Weg nicht allein gehen, das sei nicht leistbar, so Daniel Sonntag. Die Entscheidung pro China war nicht OEM-getrieben, sondern resultierte aus der globalen Marktentwicklung. 2017 wurde das Produktionswerk eröffnet.

Der 22. Internationale Jahreskongress der Automobilindustrie wurde von der IHK Chemnitz/Regionalkammer Zwickau in Zusammenarbeit mit dem sächsischen Automobilzuliefernetzwerk AMZ veranstaltet. Beide Partner bereiten bereits die 23. Veranstaltung vor. Das nächste Automotive Forum Zwickau tagt am 5./6. November 2019 erneut in der Stadt, in der einst Horch und Audi sowie der Trabant gebaut wurden und zukünftig Elektro-Fahrzeuge „made by Volkswagen“ von sich reden machen.

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