Einreisestopp setzt Zulieferer unter Druck

Die starken Einreisebeschränkungen für Pendler aus Tschechien führen dazu, dass in manchen Zulieferbetrieben aktuell etwa ein Drittel und mehr der Belegschaft fehlen.
Die starken Einreisebeschränkungen für Pendler aus Tschechien führen dazu, dass in manchen Zulieferbetrieben aktuell etwa ein Drittel und mehr der Belegschaft fehlen. (Foto: Willi Heidelbach/pixabay.com)
18.02.2021 | Redaktion Autoland

Die strikten Einreisebeschränkungen für Pendler aus Tschechien setzen viele Unternehmen unter Druck, darunter zahlreiche Automobilzulieferer in der sächsischen Grenzregion. Vertreter aus Industrie und Verbänden konstatieren hier ein Handeln der Regierung fern jeglicher Realität.

Es gibt Unternehmen im Erzgebirge, denen aktuell 30 Prozent der Belegschaft und mehr fehlen, informiert Dirk Vogel, Manager des Netzwerks Automobilzulieferer Sachsen AMZ. „Das ist ein Riesenproblem.“ Diese Situation wirke sich erheblich auf die Produktionskapazitäten aus, bei Lieferverzögerungen drohten immense Strafzahlungen.

Unangemessen, unverständlich und diskriminierend

Die Wirtschaftsförderung des Erzgebirgskreises zeichnet in einem „Offenen Brief im Interesse der regionalen Unternehmerschaft“ die derzeitige Situation und Stimmungslage. Darin heißt es u. a.: „Das Thema Grenzschließung und der damit verbundene Ausschluss von ca. 2000 Berufspendlern im Erzgebirgskreis ist leider in Dresden oder Berlin kein Thema… Durch die Grenzschließung geht es an den wertvollsten Bereich – die Zulieferindustrie, die Stärke unseres Erzgebirgskreises. Keine andere Region ist so stark von dieser Grenzschließung betroffen. Die Schäden werden erheblich sein und nicht reparabel.“ Von den Automobilherstellern sei kein Verständnis für die Situation zu erwarten. Dieses Corona-Problem ist euer Problem, nicht unseres, heißt es aus deren Reihen. Die verantwortlichen Wirtschaftsförderer fordern eine Rücknahme der Grenzschließung für Pendler, „weil sie unangemessen und vor allen Dingen unverständlich ist“. Außerdem sei es an der Zeit, mit der Diskriminierung, „zwischen systemrelevanten und unwichtigen Beschäftigten aufzuhören.“

Regierungsvertreter leugnen Probleme

Für Empörung sorgen darüber hinaus Aussagen von Regierungsmitgliedern. „Mit Fassungslosigkeit habe ich die Ausführungen des Chefs der Staatskanzlei zur Kenntnis nehmen müssen, es gäbe keine Informationen zu wirtschaftlichen Problemen aufgrund der Grenzschließung zu Tschechien“, sagt der sächsische Arbeitgeberpräsident Dr. Jörg Brückner. „Diese Fehleinschätzung stimmt mit der Realität in der Grenzregion – vor allem dem Erzgebirge – nicht überein. Selbst ich als Unternehmer im Ehrenamt habe genügend Beispiele zur Kenntnis nehmen müssen, wie massiv die Maßnahmen in die Arbeitsabläufe der Betriebe und den Alltag ihrer Mitarbeiter eingreifen.“

Der Personen- und der Warenverkehr seien empfindlich gestört. „Unsere Firmen müssen – unverschuldet – den wirtschaftlichen Schaden tragen. Unsere Mitarbeiter aus Tschechien, die mal nicht innerhalb von wenigen Tagen ihren Koffer packen und ihre Familien zurücklassen können, bleiben ohne Einkommen zurück. Wir finden diese Maßnahmen völlig überzogen, weil es genug Angebote und Vorbereitungen der Unternehmen gab und gibt, damit die Pendler sicher an ihre Arbeitsplätze und zurück nach Hause gelangen können. Man hat dies seitens der Staatsregierung zurückgewiesen. Aber dann noch zu erklären, es gäbe keine Probleme, das geht zu weit. So geht sächsisch – nicht.“

Tschechien gilt seit dem Wochenende als Gebiet, in dem sich mutierte Varianten des Coronavirus stark verbreitet haben. Deswegen dürfen von dort fast nur noch Deutsche und Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland einreisen. Ausnahmen gibt es für Beschäftigte bestimmter Branchen wie Medizin, Pflege und Landwirtschaft. Das sächsische Sozialministerium hatte am 16. Februar bekanntgegeben, die Einreisemöglichkeiten auf Berufspendler weiterer Branchen auszudehnen wie Wasser, Energie, Pharmaindustrie und Informationstechnik. Die Automobilzulieferer sowie weitere Industriezweige sehen sich hier bisher nicht berücksichtigt.

Wie betroffene Unternehmen die aktuelle Situation erleben, schildern sie hier.

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