Interieur der Zukunft Paradigmenwechsel in der Automobilindustrie­

Interieur der Zukunft: Ein Konzept für den Innenraum der Zukunft.
Ein Konzept für den Innenraum der Zukunft. (Foto: Marquardt)
15.01.2020 | Redaktion Autoland

Das Interieur der Zukunft ist keine Vision in einer fernen automobilen Zukunft. Der Begriff steht vielmehr für eine grundlegen­de Neubewertung und Neugestaltung der Fahrzeuginnenräume von Pkw. Wesentliche Elemente dieser Entwicklung sind bereits in Fahrzeuggenerationen mit Serienstart 2025 zu erwarten – so die Ergebnisse einer aktuellen Studie, die das Chemnitz Automotive Institute (CATI) im Auftrag des Thüringer ClusterManagement in der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH erarbeitet hat.

In seinen Grundstrukturen und Kernelementen ist das Interieur von Pkw über Jahrzehnte hinweg weitgehend unverändert geblieben. Diese langanhaltende Konstanz steht nun erstmals zur Disposition. Dabei ist ein wesentlicher Paradigmenwechsel festzustellen: die Hinwendung zum Nutzer (Fahrer und Mitfahrer).

Ursachen des „Aufbruchs“

Die Veränderungsimpulse für das Interieur der Zukunft entspringen mehreren Ursachen:

  • Durch die Elektromobilität entstehen neue Baufreiheiten im Innenraum der Fahrzeuge;
  • Durch die Vernetzung der Fahrzeuge bieten sich den Passagieren eine Vielzahl neuer Informations-, Entertainment- und Kommunikationsmöglichkeiten;
  • Fortschritte auf dem Weg zum autonomen Fahren entlasten den Fahrer und schaffen bislang unbekannte, erweiterte Nutzungsansprüche an den Aufenthalt im Fahrzeug;
  • und auch der Trend zum Sharing von Fahrzeugen bringt durch höhere Nutzungs­intensitäten neue Herausforderungen mit sich.

Im Rahmen einer technologischen Trendanalyse wurden über 20 Concept Cars von 15 Automobilmarken und drei Start-ups aus­gewertet sowie Interieur-Exponate von 15 internationalen Systemlieferanten. Dabei wurden über 100 technologische Einzel­trends identifiziert, die sich auf vier Trendfelder verdichten lassen:

  • Trends im Materialeinsatz
  • Trends bei der Um- und Neugestaltung von Interieur-Komponenten
  • Trends durch Integration neuer Funktionselemente im Interieur
  • Auswirkungen dieser Material-, Produkt- und Funktionsinnovationen auf die dafür erforderlichen Fertigungsverfahren.

Funktionsintegration dominiert

Neue Funktionselemente sind zentral für die Entwicklung zum Interieur der Zukunft. Dabei sind verschiedene Dimensionen von Bedeutung:

Funktionsintegration

Heute bereits im Fahrzeug verfügbare Funktionalitäten (Beleuchtung, Heizung/Kühlung, Audio, Insassenschutz) werden in Materia­lien und Oberflächen von Interieur-Komponenten integriert.

Neue Bediensysteme

Neue HMI-Konzepte wie z. B. Oberflächen-integrierte Anzeigen (Black Panel-Techno­logie), polymorphe Instrumententafeln mit adaptiven Displays, Bedienelemente in 3D mit haptischem Feedback, hologrammbasierte Touchscreens u. v. m. verändern nachhaltig die Interaktion zwischen Fahrer/Insassen und dem Fahrzeug.

Neue Funktionalitäten

Vorhandene Fahrerunterstützung wird durch neue Assistenzsysteme ergänzt. Durch den Einsatz von Augmented Reality werden z. B. vorausschauend Fahrinformationen, die der Fahrer nicht erkennen kann (Verkehrs­situation nach einer Kurve) auf die Frontscheibe bzw. weitere Oberflächen projiziert.

Kamerabasierte Innenraumsensorik

Ein weites Feld von Anwendungen eröffnet die kamerabasierte Insassen- und Innenraumsensorik. Hierzu gehören Diebstahlschutz-Systeme mit einer eindeutigen Fahreridentifizierung sowie blickbasierte Assistenzsysteme (eye tracking) und eine weiterentwickelte Gestenerkennung. Die Innenraumsensierung ermöglicht auch eine Funktionalität, die mitunter schon als künftiges neues innovatives Geschäftsfeld Automotive Health bezeichnet wird und von der Vitaldatenerfassung bis zur Früherkennung gesundheitlicher Risiken reicht.

Viele dieser genannten neuen Funktiona­litäten werden erst durch entsprechende Software-Applikationen möglich, z. T. durch Einsatz künstlicher Intelligenz.

Die Vielzahl und Vielfalt der erkennbaren technologischen Trends belegen sehr eindrucksvoll, dass dem Interieur der Fahrzeuge ein tiefgreifender Umbruch bevorsteht, der sich im nächsten Jahrzehnt sukzessive durchsetzen wird. Zulieferer sollten sich daher jetzt bereits auf diesen Zukunftsmarkt vorbereiten.

Durch die neue Symbiose aus Material/Oberflächen und Funktionalität wird die branchenübergreifende Technologiekooperation und Integrationskompetenz zum entscheidenden Erfolgsfaktor.

Nicht alle technischen Möglichkeiten, die heutige Concept Cars und Interieur-Exponate zeigen, werden letztlich in Serie gehen. Temporäre Hypes werden wieder verschwinden, Trends werden sich durchsetzen. Dabei muss der durch Innovationen im Interieur erzielbare Nutzen zu marktfähigen Preisen zu realisieren sein. Damit werden die Kosten für neue Funktionalitäten zu einer wichtigen Stellgröße für die Verbreitung technisch machbarer Innovationen.

Von entscheidender Bedeutung wird zudem die Kundenakzeptanz, die nicht nur unverändert regionale Unterschiede aufweisen wird, sondern insbesondere bei den innovativen Funktionserweiterungen auf ganz neue Herausforderungen der Usability und User Experience trifft. „Das Interieur der Zukunft ist eine automobile Zeitreise vom ehemals dominierenden Kriterium des ‚Spaltmaßes‘ hin zu einer neuen Welt der ‚User experience‘ – ein Neuland für Automobilisten“, so die Autoren der Studie Prof. Dr. Werner Olle und Dr. Daniel Plorin.

Kurzfassung der Studie

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