Mehr als ein Leben für Brennstoffzellen

Mehr als ein Leben für Brennstoffzellen
Viele Komponenten in Brennstoffzellen sind wiederverwendbar oder wiederverwertbar – wenn die Brennstoffzelle dafür konzipiert wurde und automatisierte Demontageprozesse verfügbar sind. Abbildung: www.referenzfabrik.de
15.03.2023 | Redaktion Autoland

Ein zweites Leben für Brennstoffzellen bereits vom ersten Entwicklungsschritt an mitzudenken, daran arbeiten Fraunhofer-Forschende im Verbund Stack to Piece (Stack2P). Ziel ist ein Produktdesign, das von Anfang an auch effiziente Demontageprozesse berücksichtigt. Für eine vollautomatisierte Zerlegung von Stacks nimmt die weltweit erste Forschungsanlage in der Open Hybrid LabFactory Wolfsburg ihren Betrieb auf.  

Das Fraunhofer IWU koordiniert im Nationalen Aktionsplan H2GO 19 Fraunhofer-Institute, um die Grundlagen für eine effiziente Großserienfertigung von Brennstoffzellensystemen zu legen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Lastenmobilität. Es geht um Brennstoffzellen, die an Bord eines Nutzfahrzeugs Wasserstoff in Strom umwandeln. Ein wichtiger Teil dieses Aktionsplans ist der Verbund Stack2P. Er soll die Kreislauffähigkeit dieser Produktionskonzepte sicherstellen. Die Fraunhofer-Institute IWU (am Standort Wolfsburg), IFAM und IKTS bündeln dazu unter Leitung des Fraunhofer IST ihre Kräfte. Das Projektziel lautet, ein umfassendes Konzept der Wiederverwendung (Reuse), Wiederaufbereitung (Refurbishment), Reparatur (Repair) oder – wo unumgänglich – des Recyclings für sämtliche Teile und Komponenten des Stacks zu entwickeln. Ein Beispiel: Gehäuse sollten so konzipiert sein, dass sie mehrfach verwendbar sind. Selbst Dichtungen werden künftig weitgehend recycelbar sein.

Anspruchsvolle mechanische Trennung der Komponenten

Demontageprozesse müssen den komplexen Aufbau von Brennstoffzellensystemen berücksichtigen. Als Herzstück einer Brennstoffzelle fungiert die Membran-Elektroden-Einheit (MEA) mit der Protonenaustauschmembran. Hier findet die Umwandlung von chemischer in elektrische Energie statt. Zwei Bipolarplatten umschließen die MEA. Mehrere in Serie geschaltete Brennstoffzellen bilden ein Stack (Stapel). Beim zerstörungsfreien Zerlegen eines Stacks sind zahlreiche Fügeverbindungen zu lösen. Dabei gilt es, die höchstens 0,10 mm dünnen Bipolarplatten nicht zu beschädigen. Heutige Zerlegungsprozesse sind weitgehend manuell und für eine künftige effiziente Wiedergewinnung von Bauteilen und Komponenten im industriellen Maßstab nicht geeignet. In Stack2P wird daher die gesamte Prozesskette betrachtet. Das heißt, von der Datenerfassung (Typ des Stacks) über das Entstapeln (Abnehmen) und automatisierte Trennen aller Komponenten bis zur Entnahme der MEA.

Weltweit einmalige Forschungsanlage von Fraunhofer IWU und Aumann

Das Fraunhofer IKTS prüft in Stack2P den Zustand der Brennstoffzellen am Ende ihrer Nutzung. Das Fraunhofer IST entwickelt in ST2P eine Recyclinglinie und nachhaltige Recyclingkonzepte für PEM-Brennstoffzellen. Ein Fokus sind chemische Prozesse zur Zerlegung der MEA, um das teure Edelmetall Platin wiederzugewinnen. Arbeitsschwerpunkte für das Fraunhofer IWU sind Verfahren zur mechanischen Trennung der Komponenten. Es geht um automatisierte Demontage-Prozesse einschließlich Erkennen und Lösen von Fügeverbindungen und nicht zuletzt die Entwicklung von Richtlinien und Prozessen für Produkt und Produktion. In Wolfsburg baut das Fraunhofer IWU nun zusammen mit dem Industriepartner Aumann Limbach-Oberfrohna GmbH eine Forschungsanlage zur vollautomatisierten Zerlegung von Brennstoffzellen-Stacks auf. Das Fraunhofer IFAM errichtet gleichzeitig am Standort Bremen ein Entstapel-Modul, um Erkenntnisse zu Klebeverbindungen zu gewinnen.

Serienanlage für industriellen Maßstab aus Forschungsanlage ableitbar

Dank der vom Fraunhofer IWU und Aumann konzipierten, weltweit einmaligen Forschungsanlage soll es nach Projektabschluss möglich sein, Serienanlagen für die sortenreine Trennung aller Bestandteile eines Brennstoffzellensystems im industriellen Maßstab zu entwickeln. Zur späteren Skalierbarkeit der Anlage gehören insbesondere Erkenntnisse für Taktzeiten. Im Pilot-Betrieb geht es mit einem Zehn-Sekunden-Takt beim Entstapeln los. Für den späteren industriellen Serienbetrieb wird eine Reduzierung auf rund eine Sekunde angestrebt. Als mindestens genauso wichtig schätzt das Forscherteam um Dennis Weintraut M. Sc. jedoch ein, was es im Projekt für eine optimierte Auslegung von Brennstoffzellen-Systemen in ihrem ersten Produktleben lernen kann – damit viele weitere Produktleben folgen können: „Mit der im Projekt entwickelten Pilotanlage können wir erstmals Brennstoffzellensysteme automatisiert demontieren. Wir wollen wichtige Rohstoffe im Kreislauf halten, damit Ressourcen schonen und die Abhängigkeit von Importen reduzieren.“

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