Plug-and-Play-Logistik im Visier

Unternehmerforum des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Chemnitz bei Schnellecke Logistics Sachsen in Glauchau.
Unternehmerforum des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Chemnitz bei Schnellecke Logistics Sachsen in Glauchau. (Foto: Ina Reichel)
10.10.2017 | Redaktion Autoland

Herausforderungen und Lösungsansätze für eine automobile Logistik 4.0 standen Ende September 2017 im Mittelpunkt eines Unternehmerforums bei der Schnellecke Logistics Sachsen GmbH in Glauchau. Organisiert hatte die Veranstaltung das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz.

Hans-Eberhard Jung, Projektmanager Prozessinnovation am Chemnitz Automotive Institute CATI, einem Partner des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Chemnitz, konnte mehr als 50 Interessenten aus Wirtschaft und Wissenschaft zum Forum begrüßen. Das Zentrum als Teil der bundesweiten Förderinitiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“ informiert zur digitalen Transformation, qualifiziert dazu und unterstützt kleine und mittlere Unternehmen aus Industrie und Handwerk im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bei der Digitalisierung. Ein wichtiger Partner des Zentrums ist die Industrie- und Handelskammer Chemnitz (IHK). Torsten Spranger, Geschäftsführer der IHK-Regionalkammer Zwickau, stellte in seinem Grußwort die Bedeutung der Digitalisierung für den Mittelstand sowie die Begleitangebote der IHK dazu vor.

teilweise autonom fahrender Horizontalkommissionierers IGo Neo von Still

Vorführung des teilweise autonom fahrenden Horizontalkommissionierers IGo Neo durch Mitarbeiter von Still. (Foto: Ina Reichel)

Vor allem das praktische Vorgehen bei der digitalen Transformation stand im Vordergrund der Veranstaltung. Dazu trugen die Erfahrungsberichte, Fachbeiträge sowie die Besichtigung von Logistik- und Kommissionierprozessen im Live-Betrieb seitens des gastgebenden Unternehmens wesentlich bei. Ralph Hoyer, Geschäftsführer der Schnellecke Logistics Sachsen GmbH (SLS), zeigte auf, wie Automatisierung und Digitalisierung bereits Einzug gehalten haben in die Arbeitswelt. Dazu gehören der Einsatz von Pick-by-Voice bzw. Pick-by-Vision sowie Pilotprojekte mit Handschuhscanner und teilweise autonom fahrende Horizontalkommissionierer der Firma Still. Von deren Wirkungsweisen konnten sich die Forum-Teilnehmer sozusagen „just in time“ während eines Betriebsrundgangs überzeugen.

Das Kommissionieren mittels Pick-by-Voice bewährt sich bereits seit einigen Jahren bei SLS. Jedoch ist es aus Geräuschgründen nicht überall nutzbar. So haben Mitarbeiter in der Achsmontage Datenbrillen getestet. „Das passte nicht für jeden. Teilweise gab es Schwierigkeiten mit der Lesbarkeit der angezeigten Informationen. Auch gesundheitliche Aspekte spielen hier eine Rolle. Deshalb haben wir als Alternative auf Pick-by-Vision mittels Tablet gesetzt und eine hohe Akzeptanz erreicht. Jetzt kommissionieren alle Mitarbeiter in der Achsmontage auf diese Art und Weise, mit der die Fehlerquote deutlich gegen Null tendiert“, erläuterte Ralph Hoyer und verweist bereits auf nächste Schritte. „Wir wollen Scanner und Display an einer Handschuhmanschette kombinieren. Damit entfallen Arbeitsgänge wie das Greifen und Ablegen des Scanners. Der Prozess kann noch ergonomischer gehandhabt werden.“

Kommissionieren mit Tablet sowie das Kombinieren von Scanner und Display an einer Datenhandschuhmanschette

Kommissionieren mit Tablet sowie das Kombinieren von Scanner und Display an einer Datenhandschuhmanschette sind Methoden, die bei Schnellecke in Glauchau bereits im Einsatz sind bzw. getestet werden. (Foto: Ina Reichel)

Automatisierung und Digitalisierung bedeutet nicht, alles neu zu machen. Auch diesen Fakt konnte Ralph Hoyer aus der Unternehmenspraxis untermauern. So hat SLS am Standort Zwickau nicht, wie ursprünglich vorgesehen, in ein neues Automatisches Kleinteilelager (AKL) investiert, sondern über Retrofit-Maßnahmen eine Teilautomatisierung des Lagers durchgeführt, mit welcher der Zweck eines neuen AKL gleichermaßen erreicht wird.

Um zu wissen, wie die Mitarbeiter die Transformation hinsichtlich Automatisierung und Digitalisierung sehen, hat Schnellecke diese Aspekte in einer Masterarbeit untersuchen lassen. Generell überwiegt eine positive Einstellung. Die übergroße Mehrheit verbindet damit wichtige Weichenstellungen für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, für die Arbeitsplatzsicherheit und für Entlastungen von physisch und psychisch anstrengender Arbeit. 91 Prozent wollen informiert und eingebunden werden in die Prozesse. Allerdings äußerten auch 86 Prozent Angst vor Systemausfällen und 71 Prozent befürchten einen Arbeitsplatzverlust. Für mehr als ein Drittel der Befragten geht der digitale Wandel mit der Notwendigkeit einher, das eigene Wissen und die Arbeitsleistung zu erhöhen.

Wie die weltweit agierende Schnellecke Group generell der Herausforderung Logistik 4.0 begegnet, darüber referierten Dr. Abaid Goda, Senior Manager IT, und Dennis Werries, Competence Leitung IoT, vom Schnellecke-Tochterunternehmen LOGIS GmbH Wolfsburg. Das Ziel in der Service- und IT-Entwicklung heißt Plug-and-Play-Logistik. Im Kern geht es darum, Logistikdienstleistungen in der automobilen Wertschöpfungskette on demand in extrem kurzer Vorlaufzeit an jedem beliebigen Ort zu erbringen. Dafür arbeitet Schnellecke an standardisierten Prozessen und IT-Systemen, die aus der Cloud betrieben werden und die Basis bilden für das Generieren neuer Geschäftsmodelle in der Logistik. Letztendlich soll damit mehr Sicherheit und ein höherer Optimierungsgrad in allen Prozessen erreicht werden. Bei Schnellecke werden aktuell Pilotlösungen erprobt, die ein Zeiteinsparpotenzial von 25 Prozent aufzeigen. Dr. Goda verhehlte aber auch nicht, dass die Basis für Big Data, automatisierte Intelligenz und eine vernetzte Supply Chain, bei der alle Beteiligten eine (Daten)-Sprache sprechen, eine passende Grundinfrastruktur ist. Davon sei Deutschland mit einem Glasfaseranteil von lediglich acht Prozent am gesamten Leitungsnetz noch weit entfernt.

Ein elektrisch angetriebene Lkw für einen wirtschaftlichen und umweltfreundlichen Transport zwischen Zulieferern und Fahrzeugwerk wurde im AMZ-Netzwerk konfiguriert

Zur Automobillogistik 4.0 gehört der elektrisch angetriebene Lkw für einen wirtschaftlichen und umweltfreundlichen Transport zwischen Zulieferern und Fahrzeugwerk, wie er in einem AMZ-Netzwerk konfiguriert wurde. Er bewährt sich im Werksverkehr zwischen Schnellecke Zwickau und dem VW-Standort Zwickau-Mosel. (Foto: Ina Reichel)

Der digitale Wandel bedarf neben den technischen Voraussetzungen vor allem dafür ausgebildete und motivierte Fachkräfte. Wie diese Herausforderung mittels neuer Qualifizierungskonzepte in der automobilen Aus- und Weiterbildung zu meistern ist, legte Dr. Holger Naduschewski, Geschäftsführer der Volkswagen Bildungsinstitut GmbH, in seinem Vortrag dar. Im Anschluss diskutierten die Teilnehmer den aktuellen Stand zu Logistik 4.0 in ihren Unternehmen. An Demonstratoren des Kompetenzzentrums Mittelstand 4.0 Chemnitz und von Schnellecke konnten sie zukunftsweisende Technologien wie eine Beispiellösung zur Produktions- und Echtzeitsteuerung 4.0, die Anwendung der Augmented-Reality-Methode in Konstruktion und Prozessgestaltung sowie den Einsatz der Datenbrille in der Kommissionierung selbst erleben und  testen.

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