Gesunde Mischung

Eine Präsentation innovativer Fahrzeuge auf dem Zwickauer Hauptmarkt war Bestandteil des 1. Symposium Automotive & Mobility
Eine Präsentation innovativer Fahrzeuge auf dem Zwickauer Hauptmarkt stimmte auf das 1. Symposium Automotive & Mobility ein. (Foto: Ina Reichel)
13.11.2017 | Redaktion Autoland

Mit rund 200 Teilnehmern hat das 1. Symposium Automotive & Mobility, kurz SAM, am 8. November in Zwickau die Erwartungen der Veranstalter übertroffen. Mehr noch als die Quantität überzeugte die Qualität: Erfahrene Automobilexperten und junge Fachleute stellten aktuelle sowie visionäre Branchenszenarien dar und diskutierten mit Studenten und Schülern berufliche und technische Perspektiven. Das geschah sowohl im Bürgersaal des Rathauses als auch in der begleitenden Ausstellung auf dem Hauptmarkt.

Die Mischung hat gepasst: Die beabsichtigte Vernetzung junger Studierender mit dem „Establishment“ der Autoindustrie in der traditionsreichen westsächsischen Region funktionierte bei der Premiere von SAM. Dafür hatten die Initiatoren – die Stadt Zwickau mit dem Büro für Wirtschaftsförderung, die Westsächsische Hochschule Zwickau WHZ und die Zwickauer Wirtschafts- und Industriekontakte ZWIK – mit einer gezielten Ansprache der jeweiligen Interessengruppen und der vor allem WHZ-Professor Matthias Richter zu dankenden Gewinnung hochkarätiger Referenten gesorgt.

Aussteller, Initiatoren und Referenten: Frank Weidenmüller/FES, Prof. Matthias Richter/WHZ, Lars Thielemann/VW Sachsen, Sandra Hempel/Stadt Zwickau, Marcus Behrendt/BMW, Dr. Stephan Scholz/VW, Prof. Gernot Spiegelberg/Siemens, Dr. Holger Naduschewski/VW Bildungsinstitut

Aussteller, Initiatoren und Referenten: Frank Weidenmüller/FES, Prof. Matthias Richter/WHZ, Lars Thielemann/VW Sachsen, Sandra Hempel/Stadt Zwickau, Marcus Behrendt/BMW, Dr. Stephan Scholz/VW, Prof. Gernot Spiegelberg/Siemens, Dr. Holger Naduschewski/VW Bildungsinstitut (v. l.). (Foto: Ina Reichel)

Den im Gang befindlichen Wandel in der Produktion von Volkswagen Sachsen thematisierte Lars Thielemann, Leiter Serienplanung/Werktechnik. Der Standort Zwickau wird neben verbrennungsmotorischen Modellen ab Ende 2019 den ersten VW auf Basis der neuen Elektroarchitektur bauen. Ein einfacherer Aufbau, weniger Teile und eine geringere Fertigungstiefe führen zu tiefgreifenden Veränderungen in der Produktion. Am gravierendsten werde sich dies in der Montage auswirken. Hier steige der Automatisierungsgrad von heute 16 bis 20 Prozent auf etwa 60 Prozent.

Nicht das Auto, sondern der Service rund um Mobilität ist das Produkt der Zukunft, lautete die Botschaft von Prof. Dr. Gernot Spiegelberg. Dem Auto werde das widerfahren, was auch dem Pferd vor mehr 100 Jahren passiert ist: Es wird in den Freizeitbereich verdrängt, ist der Experte von Siemens überzeugt. Autonomes Fahren und Elektromobilität führen dazu, dass der persönliche Besitz eines Fahrzeugs an Bedeutung verliert. Künftig werde ein Mobilitätsprovider genau wissen, wann eine Person welches Fortbewegungsmittel benötige und passgenau zur Verfügung stellen, so die Prognose von Prof. Spiegelberg. Damit sei verbunden, dass Autos, die heute oft nur zu fünf Prozent genutzt werden, eine 80-prozentige Auslastung erreichen und deutlich schneller verschleißen. Dies verlangt wiederum wesentlich kürzere Entwicklungszyklen und eine hochflexible Fertigung. Künstliche Intelligenz (KI) ist der Dreh- und Angelpunkt. Sie ermöglicht sich selbst optimierende Produkte und Systeme, zeigte Prof. Spiegelberg eine weit in die Zukunft reichende Vision auf.

KI sieht auch Dr. Stephan Scholz von der VW-Konzernforschung Automatisches Fahren als Schlüsseltechnologie, um die mit dem autonomen Fahren verbundenen komplexen Herausforderungen zu meistern. Mindestens 240 Millionen Testkilometer seien notwendig, um die Sicherheit autopilotierter Fahrzeuge nachzuweisen. Doch wie gut ist gut genug? Diese Frage wollen die Partner im Projekt PEGASUS beantworten. Es soll wesentliche Lücken im Bereich des Testens sowie zur Freigabe hochautomatisierter Fahrfunktionen schließen und Standards für die Automation der Zukunft liefern. Neben Volkswagen sind weitere 16 deutsche OEM, Zulieferer, Entwicklungsunternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen daran beteiligt.

Auf rund 150.000 Kilometer Erfahrung beim automatisierten Fahren kann das Engineering-Unternehmen IAV verweisen. Mirko Taubenreuther zeigte auf, dass man heute dank leistungsfähiger Rechentechnik und Sensorik bereits viele Verkehrssituationen abbilden kann. Es wird daran gearbeitet, reales Fahrverhalten in simulatorische technische Systeme zu bringen und virtuell abzusichern. Notwendig ist, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit automatisiertes Fahren in den Verkehr gebracht werden kann.

Rund 200 Teilnehmer waren der Einladung zur Mitbestimmung der automobilen Zukunft gefolgt

Rund 200 Teilnehmer waren der Einladung zur Mitbestimmung der automobilen Zukunft gefolgt. (Foto: Ina Reichel)

Die Mensch-Maschine-Schnittstelle aus der Sicht verschiedener Stufen des aktiven Fahren sowie des Gefahren-Werden betrachtete Marcus Behrendt, Leiter Baukastencluster, Informations- und Kommunikationselektronik bei BMW. Egal, wie sich Mobilität gestalte, die Schnittstelle werde immer ein Thema sein. Die Möglichkeiten der Digitalisierung verlangen, mehr Speed in die Produktentwicklung zu bringen. Bisher übliche Sieben-Jahres-Zyklen sind nicht mehr zeitgemäß.

Motivation pur für die anwesenden Studenten war der Auftritt von Thomas Kubbe. Der Leiter Gesamtfahrzeug- und Karosserieentwicklung beim Zwickauer Engineering-Unternehmen FES hat erste Automotive-Erfahrungen bei IndiKar Wilkau-Haßlau gesammelt, war dann acht Jahre bei Audi und ist jetzt zurück in die Heimat gekommen oder, wie er seinen Vortrag überschrieben hatte, zurück in die Zukunft. Bereits bei Audi habe er gemerkt, dass viele Entwicklungsprojekte unter maßgeblicher Beteiligung sächsischer Unternehmen laufen. Mit Blick auf die Logo-Karte des sächsischen Automobilzuliefernetzwerkes AMZ zeigte er die guten Chancen auf, die junge, engagierte Techniker in der Region finden. Anspruchsvolle Aufgaben mit rasch wachsender Eigenverantwortung lassen einen sehr schnell (wieder) heimisch werden.

Die konkreten beruflichen Möglichkeiten konnten die Studenten gleich am nächsten Tag bei der Recruitingmesse ZWIK entdecken. Die Kopplung des Symposiums mit dieser Veranstaltung erwies sich als weiterer Erfolgsgarant. Eine zweite Auflage von SAM ist für 2018 geplant.

Alle Artikel E-Mail Xing