Scootern für die Wissenschaft

Projekt ZED: An der Mobilitätsstation in Zwickau-Marienthal können die Bewohner Elektroscooter ausleihen. Hans Joachim Rahmlow (2. v. l.) nutzt dieses Angebot regelmäßig. Die Mitarbeitenden im ZED-Team (hinten v. l. Andreas Pettermann, Susan Bergelt, Sven Leonhardt; vorn am rechten E-Scooter Lukas Wechselberger) arbeiten an weiteren Verbesserungen der Projektes - wissenschaftlich und praktisch.
An der Mobilitätsstation in Zwickau-Marienthal können die Bewohner Elektroscooter ausleihen. Hans Joachim Rahmlow (2. v. l.) nutzt dieses Angebot regelmäßig. Die Mitarbeitenden im ZED-Team (hinten v. l. Andreas Pettermann, Susan Bergelt, Sven Leonhardt; vorn am rechten E-Scooter Lukas Wechselberger) arbeiten an weiteren Verbesserungen der Projektes - wissenschaftlich und praktisch. (Foto: WHZ)
13.10.2020 | Redaktion Autoland

Wenn sich Bürger aus dem Zwickauer Ortsteil Marienthal kostenfrei einen Elektro-Scooter ausleihen, erleichtern sie sich nicht nur Wege, sondern werden damit auch Teil wissenschaftlicher Untersuchungen.

Die Mobilitätsstation in Zwickau-Marienthal (Eschenweg/Pappelweg) wurde im Juli 2020 eröffnet und ist ein Vorhaben im Projekt „Zwickauer Energiewende demonstrieren (ZED)“. Den Bewohnern stehen elektrisch betriebene Kleinfahrzeuge und Roller zur Verfügung, die auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nutzen können und die dem Parkplatzmangel entgegenwirken. Untersucht wird das Potenzial dieser Möglichkeiten von zwei Hochschulen, der Westsächsischen Hochschule Zwickau (WHZ) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). „Nach der Etablierung der Mobilitätsstation sollen, federführend durchgeführt durch die LMU und unterstützt von der WHZ, begleitende sozialwissenschaftliche Untersuchungen das Akzeptanz- und Nutzerverhalten auswerten“, erklärt Pierre Werner, Mitarbeiter des ZED-Projektes.

Automatisierte Ausleihe und räumliche Erweiterung

Die WHZ ist vor allem durch technische Fragestellungen mit der Station verbunden. So wollen die Akteure bis mindestens Februar 2021 ein Tracking für die Scooter zu entwickeln, welches es durch die entsprechende Datenbanktechnologie ermöglicht, die sozialwissenschaftlichen Fragestellungen teilweise zu beantworten. Zwei Studierende der WHZ unterstützen mit ihren Abschlussarbeiten die Untersuchungen. 

Die Erweiterung des Konzepts auf mehrere Stadtteile bzw. zur Übertragung in andere Städte mittels Standardisierung untersucht Pauline Ziegert, Studentin des Studiengangs Management öffentlicher Aufgaben. Mit der Entwicklung eines Konzepts zur Nutzung von Blockchain im SAP S/4HANA Kontext zur Abbildung des Ausleihvorganges in SAP und der Möglichkeit zum ergänzenden Einsatz von Blockchain beschäftigt sich der BWL-Student Andreas Pettermann.

Mobilität und Spaß im Interesse der Wissenschaft

Doch ohne das Mitmachen der Marienthaler und der Elektro-Scooter sind die Untersuchungen – auch die der LMU – nicht möglich. „Mit den Scootern wollen wir Interesse am Projekt ZED wecken, und das auf für die Marienthaler praktische Art. Die Elektrofahrzeuge sind ein kleiner, aber schnell und einfach nutzbarer Teil des Themas Elektromobilität und damit auch Botschafter des großen Konzeptes“, erklärt Projektkoordinator Sven Leonhardt die Bedeutung der bisher fünf Fahrzeuge. Die fahren nicht anonym, sie heißen Willy, Mandy, Kathi, Speedy und Norbi und prägen sich so bei ihren Nutzern ein.

Testfahrer und Botschafter lernt seinen Stadtteil neu kennen

Den praktischen Nutzen der bis zu 6 km/h schnellen Fahrzeuge hat Hans Joachim Rahmlow schnell für sich entdeckt. „Ich habe mit dem Scooter mein Wohngebiet erst richtig kennengelernt und Ecken gesehen, in denen ich noch nie war“, berichtet der seit 1964 hier lebende Nutzer der Elektrofahrzeuge. Hans Joachim Rahmlow ist nicht nur Fan, er ist Botschafter für die Nutzung der Scooter und damit des Projektes ZED und aufmerksamer Testfahrer. Der mobile Rentner leiht am häufigsten die Scooter aus. Für Spazierfahrten, Fahrten zum Friedhof, in den Garten, zum Supermarkt oder zum Baumarkt. Ein eigenes Gefährt kann sich der mobilitätseingeschränkte Scooter-Fan noch nicht vorstellen – es gibt in seinem Haus noch keine sicheren Abstellmöglichkeiten. „Aber da ändert sich bestimmt bald was“, ist er überzeugt.

Wunsch nach Lastenrad wird jetzt erfüllt

Multiplikatoren wie Herr Rahmlow, die in ihrem Quartier Begeisterung für die flexible E-Mobilität weitertragen, sind wichtig. Der rüstige Herr möchte auch gern Touren durch Marienthal als Guide begleiten und noch mehr mobilitätseingeschränkte Bewohner wieder in Bewegung bringen. Seine Vorschläge wie das Anschaffen von Ponchos und Lastenräder oder das Abschaffen von Wegehindernissen nimmt das Team der Mobilitätsstation sehr ernst. Die Betrachtung des Nutzungsverhaltens und der Bedingungen an die Infrastruktur für die Nutzung von E-Scootern sind Teil der wissenschaftlichen Begleitung des Projektes. Das Ausfüllen der Fragebogen ist quasi die einzige Gegenleistung, um die die Nutzer gebeten werden. Mit den Partnern des Projektes werden aus den von der LMU ausgewerteten Daten bestenfalls Konzepte, die nicht nur in Marienthal umgesetzt werden können.

Einen Wunsch kann die Mobilitätsstation bereits jetzt erfüllen: Zwei elektrische Lastenräder stehen zur Verfügung, um beispielsweise vom Unterstützer Hagebaumarkt größere Einkäufe umweltfreundlich nach Hause zu bringen.

Alle Artikel E-Mail Xing