Sichere Fahrzeugteile für jede Klimazone

Prof. Lothar Kroll, Koordinator des Bundesexzellenzclusters MERGE (l.), und Norbert Schramm, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, im Gespräch zu einem sogenannten Pkw-Dachspriegel. Das Karosseriebauteil ist aus faserverstärktem Thermoplast in Leichtbauweise gefertigt und wird u. a. auf der Fachmesse ITHEC 2018 präsentiert.
Prof. Lothar Kroll, Koordinator des Bundesexzellenzclusters MERGE (l.), und Norbert Schramm, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, im Gespräch zu einem sogenannten Pkw-Dachspriegel. Das Karosseriebauteil ist aus faserverstärktem Thermoplast in Leichtbauweise gefertigt und wird u. a. auf der Fachmesse ITHEC 2018 präsentiert. (Foto: Diana Schreiterer)
12.10.2018 | Redaktion Autoland

Neueste Lösungen für die temperaturabhängige Versagensanalyse von faserverstärkten Thermoplasten in Automobilanwendungen präsentiert der Bundesexzellenzcluster MERGE der TU Chemnitz auf der internationalen Fachtagung ITHEC.

MERGE stellt die Erkenntnisse in Zusammenarbeit mit dem Leichtbauzentrum der BMW Group vom 30. bis 31. Oktober 2018 auf der International Conference and Exhibition on Thermoplastic Composites (ITHEC) in Bremen, der vierten Fachmesse dieser Art für thermoplastische Verbundwerkstoffe, vor. „Die Wirkung des Temperaturbereichs auf thermoplastisches Material wurde bisher stark unterschätzt“, erklärt Norbert Schramm, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungscluster MERGE. Seine Untersuchungen sollen nun dazu beitragen, bessere Vorhersagen zum Temperaturverhalten thermoplastischer Faserkunststoffverbunde zu treffen, was schlussendlich einen Zugewinn an Sicherheit für Anwender bedeutet.

Prof. Dr. Lothar Kroll, Koordinator des Bundesexzellenzclusters, erklärt die Vorgehensweise der Wissenschaftler: „Für den Lösungsansatz der Versagensanalyse untersuchten wir glas- und kohlenstofffaserverstärktes Polyamid 6 sowie Polyphthalamid mit einer Kohlenstofffaserverstärkung. Wir betrachteten insbesondere die Belastungsgrenzen der Strukturbauteile näher. Dafür analysierten wir Zug-, Druck und Schubbelastungen sowie verschiedene Spannungskombinationen aus Zug- und Schubbelastungen sowie Druck- und Schubbelastungen in einem typischen automobilen Temperaturbereich von -30 °C bis +85 °C.“ Schramm ergänzt: „Die Ergebnisse machen deutlich, dass die faserdominanten mechanischen Eigenschaften des Verbundes, beispielsweise Zugsteifigkeit und -festigkeit in Faserrichtung, innerhalb des untersuchten Temperaturbereichs nur geringfügig beeinflusst werden. Eine deutlich höhere Temperaturbeeinflussung wurde bei den matrixdominanten Eigenschaften quer zur Faser festgestellt.“ Dieses Ergebnis führt der Forscher auf das bereits bekannte ausgeprägt temperaturabhängige Verhalten des thermoplastischen Matrixwerkstoffs zurück, der die Fasern stützt und fixiert sowie die Kräfte zwischen den Fasern überträgt.

Thermoplaste überzeugen mit zahlreichen Vorteilen für Verbraucher und Produzenten

Thermoplastische Faserkunststoffverbunde werden bereits in der Automobilbranche genutzt. So stellt beispielsweise Landrover die Durchladen, also den umlegbaren, mittleren Teil der Rücksitzlehne als Verbindung zwischen Fahrgast- und Kofferraum, aus diesem Material her. Auch im Bereich der Luftfahrt kommen endlosfaserverstärkte Thermoplaste zum Einsatz, beispielsweise in den Fensterrahmen von Flugzeugen. Dass dank der Studie nun bessere Vorhersagen zum Verhalten des Materials in verschiedenen Temperaturbereichen gemacht werden können, bringt auch für die Endverbraucher zahlreiche Vorteile mit sich. Der größte Gewinn besteht in einer erhöhten Sicherheit zukünftiger Fahrzeuge. Norbert Schramm führt an, dass die Eigenschaften des Materials und somit auch die Funktionsweise der Bauteile stark von der Temperatur beeinflusst würden. Bei einer Temperatur von 80°C verschlechtern sich die Eigenschaften um bis zu 70 Prozent. „Wenn man diesen Umstand in der Automobilproduktion berücksichtigt, kann garantiert werden, dass das Auto in der Sahara für den Fahrer genauso sicher ist wie im deutschen Winter“, so der Wissenschaftler. Gleichzeitig können durch die Verwendung der endlosfaserverstärkten Thermoplaste leichtere Bauteile produziert werden, die den Kraftstoffverbrauch der Autos und somit auch den CO2-Ausstoß verringern.

Schramm ist sich sicher, dass die Automobilbranche in Zukunft vermehrt auf den Einsatz von thermoplastischen Verbundwerkstoffen setzen wird. Denn diese bringen auch wirtschaftliche Vorteile wie schnellere Fertigungsverfahren, kosteneffizientere Massenproduktionen und flexiblere Bauteilgestaltungen mit sich. Allerdings betont er, dass endlosfaserverstärkte Thermoplaste in Zukunft eher für Strukturbauteile in Karosserien eingesetzt werden. In höheren Temperaturbereichen, beispielsweise in Motornähe, werden wohl auch weiterhin die weniger temperaturabhängigen Duroplaste eingesetzt.

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