Trotz wachsenden Drucks wird nicht gejammert

Trotz wachsenden Drucks wird nicht gejammert
Die AMZ-Lounge, die Jahresmitgliederversammlung des sächsischen Automobilzuliefernetzwerks, bildete am 5. Oktober traditionell den Auftakt des 26. Automotive Forums Zwickau. Auf dem Podium bei der DRH Vermögensverwaltung diskutierten Dr. Oliver Manicke/Skoda, Michael Colberg/RehauAutomotive, Dominik Owsiak/Exact Systems, Dr. Marcus Bollig/VDA, Thomas Schmidt/Sachsens Minister für Regionalentwicklung, Michael Lachner/Lachner International Service Management. Foto: Frank Reichel
06.10.2022 | Redaktion Autoland

Selten zuvor standen die aktuellen politischen Entwicklungen so im Fokus des Automotive Forums Zwickau wie zu dessen 26. Auflage. Rund 280 Teilnehmer nutzten am 5. und 6. Oktober 2022 die AMZ-Jahreslounge, den Galaabend sowie den Fachkongress zum intensiven Austausch. Fazit: Trotz des immens wachsenden Drucks von vielen Seiten jammern die Unternehmen nicht. Sie agieren pragmatisch mit Realitätssinn sowie Verantwortung für die Aufgaben von heute und morgen.

Gleiches erwarten alle in der automobilen Wertschöpfungskette verankerten Unternehmen und Institutionen auch von der Politik. Weil diese jedoch nicht strategisch und lösungsorientiert handelt, erwächst aus der Energiekrise eine Vertrauenskrise. Die jetzige Situation sei eine „Zerreißprobe für Deutschland und Europa, für unsere Gesellschaft“, betonte Max Jankowsky in seiner Rede zum Galaabend.

Ein Wumms ist keine Lösung

Der junge Geschäftsführer der GL Gießerei Lößnitz hat das Traditionsunternehmen Anfang 2020 übernommen. Neue Mobilität, Wasserstoff, Vollbeschäftigung und Wachstum hießen damals die Aussichten. Heute stehe seine Industrie, deren Produkte Basis für die Automobilproduktion sind, in Deutschland vor der Existenzfrage. Ein Wumms von 200 Milliarden Euro sei keine Lösung. „Vertrauen kann man nicht kaufen. Wir brauchen nicht das Geld, wir brauchen eine Strategie und – noch wichtiger – ein Bekenntnis zur Industrie. Nie zuvor wurde die Zukunft der energieintensiven Mittelständler so in Frage gestellt. Es ist jetzt keine Zeit mehr für Parteipolitik. Wir brauchen eine Politik für unser Land, eine Perspektive mit einem planbaren und transparenten Energiemarkt, eine Perspektive mit einer Bundesregierung, die die Basis versteht, die uns versteht“, so sein eindringlicher Appell.

Ohne Frieden kein stabiles Europa

Seit Monaten unterbreiten Max Jankowsky, der sich in vielen Industriegremien engagiert, und Unternehmerkollegen, die es ihm gleichtun, Vorschläge an die Bundespolitik zur Entschärfung der Situation. Gesunder Menschenverstand scheitert jedoch an Ideologien, an Parteibüchern. „Es ist tragisch, dass die Sorge vor einem Mandatsverlust über der Zukunftsfähigkeit des Landes steht.“ Das treffe leider auch für den Umgang mit dem Krieg zu. „Solange Krieg herrscht, wird uns kein Wumms herausholen. Wir brauchen eine diplomatische Lösung. Wir brauchen Frieden für ein stabiles Europa“, fordert er.

Angst aus der Belegschaft nehmen

Dass eine Volkswirtschaft ohne Subventionen funktionieren muss und es ein Bekenntnis zu Industrie und Handwerk insgesamt braucht, war Tenor zahlreicher Wortmeldungen. Das schwindende Vertrauen in die Politik schürt zudem Ängste und Unruhen in der Bevölkerung. Diese spiegeln sich natürlich in den Belegschaften wider. Darauf muss man eingehen. IndiKar-Geschäftsführer Ronald Gerschewski hat das mit einer Betriebsversammlung getan. „Es ist wichtig, über die Situation zu reden, realistisch zu bleiben und auch Optimismus zu verbreiten.“ Die Unternehmensgruppe spürt hautnah die Folgen deutscher Energiepolitik. Während an einem deutschen Standort für Kunststoffverarbeitung die Stromkosten exorbitant steigen, ist das an einem produktionsgleichen Standort in Rumänien nicht der Fall.

AMZ-Vorschlag: Energiegleitklausel schaffen

Die schwierige Wirtschaftslage verdeutlicht auch eine Ad-hoc-Umfrage des sächsischen Automobilzuliefernetzwerks AMZ unter seinen Mitgliedern. „Die Situation ist verheerend“, fasst AMZ-Netzwerkmanager Dirk Vogel zusammen. „Lieferanten brechen weg. Energiekosten sind nicht mehr zu bezahlen und das bei nochmaligem Absatzrückgang zum Corona-Vorjahr. Das bedeutet: Für über 50 Prozent der Unternehmen ist die Situation aktuell existenzgefährdend. Das Problem ist, dass der Produktionsstillstand einiger Unternehmen zum Erliegen der gesamten Kette führt, auch der Zulieferer, die heute noch überleben.“ Vogel regt an, eine Energiegleitklausel zu schaffen, um Zahlungen den veränderten Kosten anzupassen. Ähnliches werde bereits bei Material- und Legierungszuschlägen praktiziert.

Am zweiten Kongresstag im Bürgersaal des Zwickauer Rathauses standen Themen zur Transformation der Branche und Bewältigung der Energiekrise im Mittelpunkt. Foto: Frank Reichel

Das heutige Deutschland schreckt Investoren ab

Die Situation in Deutschland wird im Ausland mit immer mehr Unverständnis betrachtet. Das zeigen Überschriften wie „Die dummen Deutschen“ in US-Medien. Dr. Albrecht Köhler von der Gesellschaft für Unternehmens- und Technologieberatung GFUT berät ausländische Investoren mit Engagements in der deutschen Autoindustrie. 60 Prozent davon wollen derzeit deinvestieren. Man habe „Schiss“ vor dem Verlierer Deutschland.

Technologien und Märkte

Neben den die gesamte Wirtschaft betreffenden Themen bietet die sich in einem Wandel befindliche Branche außerdem noch jede Menge spezifische Herausforderungen. Auch diese waren Thema auf dem Zwickauer Forum. Dazu gehörten Vorträge für stabile, transparente Lieferketten mittels Digitalisierung, für Technologieoffenheit bei Antrieben und Kraftstoffen sowie für das Erschließen neuer Märkte wie beispielsweise Indien. Der zweitgrößte asiatische Staat war Partnerland des diesjährigen Forums.

Veranstalter des Automotive Forums Zwickau ist von Anbeginn die IHK Chemnitz. Langjähriger Kooperationspartner ist das Netzwerk AMZ.

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