Wir Ökoegoisten

Ein Gastkommentar von Dr. Helmut Becker

Wir Ökoegoisten - Ein Gastkommentar von Dr. Helmut Becker

Dr. Helmut Becker ist Inhaber des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation München (IWK). Er war u. a. als Chefvolkswirt bei BMW tätig und berät Unternehmen zu automobilspezifischen Themen. Dr. Becker ist seit vielen Jahren eng mit dem Autoland Sachsen verbunden, u. a. als Referent bzw. Gast des Internationalen Jahreskongress der Automobilindustrie, den die IHK Chemnitz in Zusammenarbeit mit dem sächsischen Automobilzuliefernetzwerk AMZ veranstaltet. (Foto: Frank Reichel)

„Kennst Du das Land, wo…“  Nein, nicht wo die Zitronen blühen, sondern wo die Menschen von tiefer Sehnsucht erfüllt sind nach sauberen Flüssen und Bächen, einem klaren Blick zum blauen Himmel, nach reiner, abgasarmer Luft zum Atmen, und zwar nicht nur im Schwarzwald und an der Nordsee, sondern auch am Stuttgarter Neckartor, der Friedberger Landstraße in Frankfurt oder in der Landshuter Allee in München. Und mit ihren SUVs meilenweit zum Supermarkt fahren, um dort nur gesunde Nahrungsmittel zu kaufen, die dann gleichwohl zu einem Drittel in die Abfalltonne wandern. Aber das ist eine andere Baustelle!

Dieses Land ist hochindustrialisiert und drittgrößte Industrienation der Welt, Exportweltmeister mit hohem Wohlstandsniveau und im Ranking der Lebensqualität durch internationale Forschungsinstitute unter den ersten zehn jener Länder zu finden, in denen es sich trotz hoher Industrialisierung am besten Leben lässt! Und das trotz der hohen Bevölkerung nur wenig hinter Wohlstandsinseln wie Luxembourg, Liechtenstein und der Schweiz. Kurz: Dieses Land ist satt, sauber, sicher. Dieses Land heißt Deutschland.

Doch kein Glück hält ewig. Dieses Land ist seit kurzem von zwei schweren paranoiden Wahnvorstellungen ergriffen. Zum einen befindet es sich im Dieselwahn, besser in der Dieselparanoia. Sieht es doch seine heile saubere städtische Wohlstandsidylle durch Dieselabgase und mutmaßlich gesundheitsgefährdende Stickoxyde aus deren Auspuff in die Atemluft um Gesundheit und Leben gebracht. Und ist sich seines Glückes gar nicht bewusst, dass Aber-Millionen von asiatischen Erdbewohnern aus Peking, Schanghai, Bangkok oder sonst wo her aus den asiatischen Mega-Städten noch nichts von den schönen NOX-Messwerten in deutschen Innenstädten gehört haben. Und deswegen bislang immer noch lieber mit Atemmaske zuhause das heimische Bruttosozial steigern statt am Stuttgarter Neckartor oder in anderen deutschen Wohlstandszentren Urlaub zu machen!

Verkehrte Welt! Das denken auch die Dieselfahrer, die sich bislang hinter ihrer Grünen Plakette ökologisch wohl und sicher fühlten, weil bis dato nur Feinstaub als klimaschädlich, Stickoxyde dagegen als klimafreundlich galten. Und nunmehr frustriert befürchten müssen, dass sie, z.B. in Frankfurt ab 1. September 2019, wegen ihrer sog. „Diesel-Dioxyd-Dreckschleudern“ ihrer automobilen Freiheit beraubt zu werden. Mit der Folge, dass das Land, das als erstes den Verbrennungsmotor erfunden hat, diesen als erstes abschaffen könnte.

Doch damit nicht Wahnvorstellung genug. Parallel zur Dieselparanoia wird von Umweltverbänden und materieunkundigen Medien und deutsche Edel-Ökos die Wahnvorstellung verbreitet, dass nach dem Tod des Diesels das klimafreundliche Elektroauto die Welt retten könne. Für sich genommen eine prima Idee: Kein Auspuff, keine klimaschädlichen Emissionen, keine Verschwendung von wertvollen fossilen Ressourcen.

Leider erweist sich das als Trugschluss, manche sprechen sogar von Ökoschwindel! Denn Elektroautos sind auf Ganze gesehen keineswegs umweltschonend, im Gegenteil, sondern nur da, wo sie unmittelbar vor allem im städtischen Bereich eingesetzt werden.

Dazu hat das Stockholmer Umweltinstitut IVL vor kurzem berechnet, dass allein die Produktion der tonnenschweren Akkus eines Tesla S Elektroautos siebzehn Tonnen CO2 in die Atmosphäre bläst. Und ist damit genauso umweltschädlich wie ein moderner Benziner oder Diesel nach 200.000 Kilometer Laufleistung. Und das schlimme ist, dass alle neuen Elektroautos deutscher Hersteller, wie der Audi e-Tron, Daimler EQ oder die kommenden Modelle von VW mit ähnlich dimensionierten Batterieungetümen ausgerüstet sind. Ein Glück nur, dass die Preise all dieser Elektroautos so hoch sind, dass mangels Nachfrage die Umweltschädigung sich in Grenzen hält.

Aber wehe die Verbreitung nimmt zu! Denn zu der klimaschädlichen Produktion des Elektroautos kommt in Deutschland der klimaschädliche Betrieb noch hinzu. Zwar kommt hier wie überall der Strom zum Auftanken des E-Autos aus der Steckdose, doch im deutschen Netz wird er zu über der Hälfte aus Kohle und Gas, also aus fossilem Brennstoff. Mit anderen Worten: Statt mit Benzin/Diesel fahren Elektroautos mit Kohle!

Wirklich umweltfreundlich sind Elektroautos also nur dann, wenn sie mit regenerativer Strom Energie produziert und betrieben werden. Doch das wird Jahrzehnte dauern. Jeder, der heute vehement den Ersatz der Benzin- und Diesel-Autos durch Elektroautos in den Städten fordert ist ein Ökoegoist! Seine „Öko-Uhl“ der abgasfreien Stadtregion erkauft er sich durch die „Emissions-Nachtigall“ an den Stellen des Globus, wo die Akkus für die E-Autos und der Strom zu ihrem Betrieb produziert werden.  – Nur mit regenerativer Energie – als Strom oder in liquider Form als Wasserstoff oder e-fuel – kann das Weltklima gerettet werden!