Getrübt bis stark verunsichert

Getrübt bis stark verunsichert
Die aktuell schwierige Situation der Automobilzulieferer war dominierendes Thema des Pressegesprächs vor dem 27. Automotive Forum Zwickau. Dazu sprachen Ralph Hoyer, Geschäftsführer Schnellecke Logistics Sachsen; Prof. Dr. Werner Olle vom Chemnitz Automotive Institute CATI; AMZ-Netzwerkmanager Dirk Vogel und Max Jankowsky, Präsident der IHK Chemnitz (v. l.). Foto: Ina Reichel
27.09.2023 | Redaktion Autoland

Als getrübt bis stark verunsichert beschreiben sächsische Automobilzulieferer ihre derzeitige Stimmungslage. Das betrifft insbesondere die Sequenz-Lieferanten des VW-Werkes Zwickau. Sie arbeiten produktionssynchron mit dem Autobauer und müssen mit dessen Produktionsdrosselungen ebenso zurechtkommen. An Planungssicherheit sei in den nächsten zwei Jahren nicht zu denken, so der Tenor. Die aktuelle Situation ändere jedoch nichts am weiteren Hochlauf der E-Mobilität. Diese Themen prägten das Pressegespräch in Vorbereitung des 27. Automotive Forums Zwickau.

Die jüngsten Meldungen um das E-Auto-Werk von VW in Zwickau verdeutlichen die brisante Lage insbesondere der südwestsächsischen Automobilregion. Weil der Absatz der E-Fahrzeuge stockt, fährt der Autobauer in den Herbstferien eine Fertigungslinie herunter. Das gleiche trifft auf die ID.3-Fertigung in der Gläsernen Manufaktur in Dresden zu. Das ist nicht nur für VW und dessen Beschäftigte ein Problem. Die werksnahen Zulieferer und Dienstleister müssen ebenso ihre Personalplanung anpassen. Und sie wissen noch nicht, wie es nach den zwei Wochen weitergeht. Weitere Meldungen berichten über eine Streichung der dritten Schicht in Zwickau ab 2024.

„Die OEM diskutieren jedes Szenario mit ihren Arbeitnehmervertretern und entscheiden mit einem gewissen zeitlichen Horizont. Als Zulieferer bekommen wir die jedoch die Informationen kurz vor knapp. Wir müssen dann wiederum mit unseren Mitarbeitern und Partnern das weitere Vorgehen abstimmen. Die Kurzfristigkeit, die von uns erwartet wird, ist kaum noch zu leisten“, verdeutlicht Ralph Hoyer, Geschäftsführer der sächsischen Schnellecke-Standorte mit rund 1.500 Beschäftigten.

Es fehlen verlässliche Planzahlen

Schnellecke ist in Glauchau sowie im VW-Werk Zwickau mit rund 850 Mitarbeitern der Full-Service-Logistikdienstleister für die Fabrik. Als deren Umbau zum E-Auto-Werk begann und die Fertigung heruntergefahren wurde, hat Schnellecke seine Mitarbeiter behalten und die Zeit u. a. für Qualifizierungen genutzt. Parallel rekrutierte Schnellecke im Einklang mit den VW-Planungen neue Mitarbeiter, allein in den vergangenen beiden Jahren rund 200. Jetzt drosselt VW die Produktion, aber keiner weiß, was in den nächsten Wochen und Monaten passiert. „Uns fehlen verlässliche Planzahlen. Wir wissen nicht, wie die angekündigte Durststrecke von zwei Jahren aussieht“, sagt Hoyer und betont, dass man alles tue, um Personalabbau zu vermeiden. „In letzter Konsequenz kann es jedoch auch dazu kommen.“ Kurzarbeiterregelungen wie zu Corona-Zeiten greifen derzeit nicht. Eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitern könne evtl. bei Schnellecke in Leipzig arbeiten. Dort gibt es Bedarf im BMW-Werk. Auch weitere Qualifizierungen sind denkbar.

Kapazitätsausweitung stärker als Marktnachfrage

Dirk Vogel, Manager des Netzwerks Automobilzulieferer Sachsen AMZ, verweist darauf, dass alle 17 Sequenz-Zulieferer von VW Zwickau sich mit diesen Problemen auseinandersetzen müssen. Etwa 4.000 bis 5.000 Beschäftigte sind laut Vogel in diesen Werken tätig. Für ihn ist jedoch nicht zwingend eine rückläufige Nachfrage nach E-Autos der Hauptgrund. Vielmehr sieht er eine Ursache darin, dass der Hochlauf langsamer erfolgt als gedacht. VW habe eine Kapazitätsausweitung umgesetzt, die stärker ist als die Marktnachfrage. Automobilhersteller, die eine Mixfertigung von Verbrenner und E-Autos fahren, seien aktuell im Vorteil.

Preislich attraktive E-Autos nicht vor 2025

Langfristig führt an der E-Mobilität jedoch kein Weg vorbei. Prof. Dr. Werner Olle vom Chemnitz Automotive Institute CATI prognostiziert 2023 einen Produktionsrekord in Deutschland von ca. einer Million E-Fahrzeugen. Nahezu 80 Prozent davon sind für den Export bestimmt. Ab 2025 erwartet der Experte einen weiteren Hochlauf von Nachfrage und Produktion, u. a. wegen weiterer Emissionsverschärfungen. Dann sei auch mit preislich attraktiveren Modellen zu rechnen, vor allem, weil sich Batteriekosten bis dahin drastisch reduzieren. Aktuell liegt der Durchschnittspreis für ein E-Auto hierzulande über 48.000 Euro.

Mobilität muss bezahlbar sein

Dass Mobilität bezahlbar sein muss und kein Luxusgut sein darf, ist für Max Jankowsky ein wichtiger Aspekt im Zuge der Transformation. Der Präsident der IHK Chemnitz verweist darauf, dass aktuelle Absatzprobleme mit Technologieoffenheit eher nicht passiert wären. „Wir öffnen uns für die Transformation und eine klimabewusste Mobilität, aber wir müssen weg von radikalen Schritten“, appellierte er vor allem in Richtung Brüssel und Berlin. Diese Forderungen bestimmen die Vorträge und Diskussionen des Automotive Forums Zwickau (AFZ) bereits seit fünf Jahren. Was zu tun ist, um den Automobil- und Industriestandort Deutschland zu sichern, ist auch Inhalt des bevorstehenden 27. AFZ.

Attraktives Programm zum AFZ

Unter dem Motto #BrancheMitZukunft stellen die Paneldiskussionen und Fachvorträge vor allem zukunftsweisende und nachhaltige Strategien zur Transformation in den Vordergrund. Bereits am ersten Kongresstag dient dazu die AMZ-Lounge. Hier gibt es wissenswerte Impulse, u. a. vom chinesischen Hersteller NIO. In einer Podiumsdiskussion gibt es einen Austausch mit Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig zur deutschen Wettbewerbsfähigkeit.

Volkswagen Sachsen sowie der Batteriehersteller Clarios Germany gewähren Teilnehmern Einblicke ins Unternehmen. Der August-Horch-Ehrenpreis findet auf der abendlichen Kongresseröffnung im Beisein der Zwickauer Oberbürgermeisterin seinen passenden Empfänger. Zudem stehen beim Sächsisch-Amerikanischen Netzwerkabend der Austausch und das Kennenlernen einer US-Unternehmensdelegation im Fokus.

Networking, Fachausstellung, Impressionen der anwesenden Referenten runden den zweiten Kongresstag ab. Unter anderem sprechen Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM), Gerd Hahn, Standortleiter des VW-Motorenwerks Chemnitz und Dr. Stefan Fenchel, Projektleiter „Grünes Werk“ der BMW Group. Zahlreiche Aussteller und Sponsoren sind persönlich anwesend.

Veranstalter des AFZ ist die IHK Chemnitz in Kooperation mit dem Netzwerk AMZ.

Mehr Informationen und Anmeldung hier.

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