Wie gelingt Transformation im Mittelstand?

Wie gelingt Transformation im Mittelstand?
Was der Mittelstand an Bedingungen für eine erfolgreiche Transformation braucht, war ein Hauptthema des 27. Automotive Forums Zwickau am 7./8. November 2023. Foto: Ina Reichel
09.11.2023 | Redaktion Autoland

Wie gelingt die Transformation der Automobilindustrie im Mittelstand? Das war eine zentrale Frage des 27. Automotive Forums Zwickau am 7. und 8. November in der August-Horch-Stadt. Rund 150 Teilnehmer der Branche, darunter Gäste aus Österreich und den USA, diskutierten über Chancen und Risiken des Wandels.

Die Transformation hin zu einer emissionsärmeren Mobilität ist in vollem Gange – ob das dem Einzelnen gefällt oder nicht. 2022 überschritt die weltweite E-Auto-Produktion erstmals die Marke von zehn Millionen. Deutschland liegt mit rund 570.000 produzierten E-Fahrzeugen zwar europaweit an der Spitze. Im Weltvergleich spielt die traditionsreiche Autobauer-Nation jedoch mittlerweile keine führende Rolle mehr. Hier bestimmen chinesische Unternehmen und Tesla den Markt. Immerhin setzt das Autoland Sachsen einen Leuchtpunkt. Über 40 Prozent der deutschen E-Auto-Produktion kam 2022 aus dem Freistaat.

Neue Chancen für Zulieferer durch ausländische OEM

Moritz Krusch von Porsche Consulting betonte, dass die deutsche Autoindustrie ihre Spitzenposition zwar verloren habe, aber generell schon vorn dabei sei. Noch erhalten die Hersteller finanziellen Rückenwind aus dem Verbrenner-Segment. In einigen Jahren verwandelt sich dieser jedoch in Gegenwind. Reine E-Auto-Produzenten, die anfangs mit negativem Cash Flow unterwegs waren, fahren zunehmend Gewinne ein. Deshalb sei viel zu tun, damit Deutschland seinen Platz als Autoland halten kann. Es gehe nicht nur darum, Produkte zu transformieren. Gleiches sei auch für das Kundenspektrum notwendig. Die angekündigten Investitionen ausländischer Hersteller in europäische Werke bieten gerade für die deutsche Zulieferindustrie neue Chancen, so Krusch.

Gerhard Meister vom international renommierten österreichischen Engineering-Unternehmen AVL List verwies darauf, dass die europäische Autoindustrie massive Anstrengungen unternimmt, um sich Technologieführerschaft zurück zu erkämpfen. Ob sich auf dem Weg von verbrennungsmotorischen zu alternativen Antrieben ein System durchsetzt, müsse man schauen. In verschiedenen Regionen der Welt seien verschiedene Ansätze gefragt.

Software-Kuchen groß genug

Ein Trend setzt sich auf jeden Fall weltweit weiter durch – die wachsende Integration von Software ins Fahrzeug. Bert Auerbach, Mitgründer der Chemnitzer FDTech, zeigte auf, dass die Entwicklung und Umsetzung komplexer Software-Themen Möglichkeiten für Zulieferer eröffnen. Am besten gelinge dies im Verbund mit Partnern. Der Kuchen sei groß genug. FDTech als Entwickler automatisierter Fahrfunktionen hat sich dafür mit weiteren Unternehmen zusammengeschlossen. Die Chemnitz Automated Driving Alliance CADA bündelt ihre Kompetenzen im Bereich automatisiertes Fahren. Rund 1.000 Menschen sind in der Region auf diesem Gebiet tätig.

Damoklesschwert Rahmenbedingungen

Nicht zuletzt dank dieses Know-hows sieht Dirk Vogel, Manager des sächsischen Automobilzuliefernetzwerks AMZ, die sächsische Zulieferindustrie in ihrer Gesamtheit gut aufgestellt. Rund 70 Prozent der Unternehmen sind konzerngebunden und stehen damit im internen Standortwettbewerb. Hier entscheiden meist die regionalen Rahmenbedingungen über Auftragsvergaben. Das Thema Rahmenbedingungen trifft mindestens genauso hart die inhabergeführten Mittelständler. Weiter steigende Kosten, u. a. bei CO2-Abgaben und Mautgebühren, erfordern Investitionen, die nicht zwingend zu neuen Produkten und Erträgen führen. Gleiches trifft auf die ausufernde Bürokratie zu. Mittlerweile müssen Unternehmen bis zu zehn Beauftragte, u. a. für Arbeitssicherheit, Umweltbelange, Lieferkettengesetz, haben, um rechtliche Regelungen zu erfüllen. Was in Konzernstrukturen noch leistbar sei, ist es für den Mittelständler kaum noch, so Vogel. Es müsse doch möglich sein, die verschiedenen Aufgaben zusammenzuführen, schlug er vor. Das wäre dann eine echte Entlastung für kleinere Unternehmen.

Massiv Druck machen beim Bund in Sachen Energiekosten

Der AMZ-Netzwerkmanager warf noch eine weitere Frage auf, die gerade für den Mittelstand existenziell ist. Wer ist der Treiber für das Senken der Energiekosten? Nach seiner Meinung kann das nur die Bundesregierung sein, die hierzu alle Mittel in der Hand hat. „Wir müssen weiter massiv Druck machen“, betonte er.

Politik muss vom Reden ins Handeln kommen

Einer, der dies mit Vehemenz bereits tut und weiter tun wird, ist Max Jankowsky. Der neue Präsident der IHK Chemnitz weiß aus eigener Erfahrung als Chef der Gießerei Lößnitz, was die Unternehmen umtreibt. Immer höhere Energiekosten, Defizite beim Ausbau der erneuerbaren Energien, eine fehlende Gesamtstrategie für die deutsche Wirtschaft heißen hier Schlagworte. „Die Unternehmen sind bereit für die Transformation. Wir haben kluge Köpfe im Land. Aber wir brauchen die Rahmenbedingungen“, so Jankowsky und verwies auf das Beispiel Wasserstoff. In der Region gibt es viele Unternehmen, die in der Transformation auf diesen Energieträger setzen. Jedoch bleibt Südwestsachsen beim Anschluss an das Wasserstoff-Kernnetz in der ersten Runde bis 2032 außen vor. Hier müsse die Region wieder mal eine Extrameile drehen, so Jankowsky. Unternehmen, die auf diesem Feld Geschäft aufbauen wollen, werden jedoch keine zehn Jahre warten und sich einen besseren Standort suchen.

„Das große Schiff Deutschland muss umdenken. Mit den heutigen Rahmenbedingungen fährt die deutsche Autoindustrie gegen die Wand“, wählte Jankowsky drastische Worte. Der Chemnitzer IHK-Präsident wird nicht müde, u. a. gegenüber Wirtschaftsminister Habeck darauf hinzuweisen, dass in punkto Transformation die Politik vom Reden ins Handeln kommen muss. Mit den weiteren sächsischen IHK-Präsidenten trifft er sich demnächst mit dem Bundeskanzler, um explizit auf die Situation sowie notwendige Aktivitäten in den Regionen fernab großer Metropolen aufmerksam zu machen.

August-Horch-Ehrenpreis für XENON Automatisierungstechnik

Eine Unternehmensgruppe, die seit mehr als 30 Jahren erfolgreich alle Herausforderungen meistert, ist die XENON Automatisierungstechnik Dresden. Der Gründer und ehemalige Geschäftsführer Dr. Eberhard Reißmann erhielt für seine Verdienste den diesjährigen August-Horch-Ehrenpreis.

Dr. Eberhard Reißmann, Gründer und ehemaliger Geschäftsführer des Automatisierungstechnik-Spezialisten XENON Dresden, hat den diesjährigen August-Horch-Ehrenpreis erhalten. XENON hat u. a. in Projekten des Netzwerks AMZ maßgeblich zur Produktivitätsentwicklung sächsischer Zulieferer für Fahrzeugelektronik beigetragen. Das Foto zeigt Dr. Reißmann (am Rednerpult) zur Zehn-Jahres-Feier von AMZ im Jahr 2009. Foto: Archiv Reichel

XENON ist ein Hersteller von Montage- und Prüflinien für die automatisierte Fertigung mechatronischer Komponenten. 430 Mitarbeiter liefern weltweit schlüsselfertige High-Tech-Produktionslinien. Diese sind in vielen Zulieferwerken zu finden. Die inhabergeführte Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Dresden und Werken in China und Mexiko bietet maßgeschneiderte Automatisierungslösungen von der Projektapplikation über die Fertigung und Montage bis hin zum After-Sales-Service.
Der Preis wird seit 2021 von der IHK Chemnitz, dem Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen (AMZ), der DRH Vermögensverwaltung GmbH und dem August Horch Museum Zwickau verliehen. Er würdigt Persönlichkeiten, die sich besondere Verdienste um die Entwicklung der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer in Sachsen erworben haben.

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